Pascal Neis und Alexander Zipf vom Geografischen Institut der Uni Heidelberg sowie Dennis Zielstra des Geomatics Programs der University of Florida, haben am 04.01.2012 eine Studie zur Entwicklung des OpenStreetMap Projektes zwischen 2007 und 2011 veröffentlicht.

Der Zuwachs der Daten zum OpenStreetMap Projekt ist weltweit recht heterogen, Deutschland zählt aber global zu eine der aktivsten Länder und die Anzahl der Projektbeteiligten steigt von Jahr zu Jahr. Aktuell (Juni 2011) haben insgesamt mehr als 40000 unterschiedliche Mitglieder zum Deutschland Datensatz beigetragen.
Mapper bei der Arbeit
Unterschiedliche Mengen von Mitgliedern haben die drei OSM Objektarten (Node, Way & Relation) in Deutschland erzeugt. 98% der Punkte wurden von ca. 8500 Mitgliedern, 98% der Linien von ca. 7500 und 98% der Relations auf ca. 2600 Mitglieder generiert (wenn man den letzten Eigentümer als Ersteller bewertet). Verschiedene differenzierte Analysen vergleichen die Qualität dieser Nutzerbasis bezogen auf das deutsche Straßen- und Wegenetz.
Wachstum der unterschiedlichen Straßenkategorien
Verfolgt man das Wachstum der unterschiedlichen Straßenkategorien, ist in der Auswertung zu erkennen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt manche Kategorien nicht mehr weiter zunehmen. Daraus lässt sich ableiten, ab wann eine Kategorie annährend „komplett“ erfasst gewesen sein dürfte oder wo noch neue Straßen hinzukommen. Bei diesem ersten Vergleich ist aber folgendes zu beachten: Der Vergleichsdatensatz von TomTom eignet sich nur für einen Vergleich des Wegenetzes für die Autonavigation (also drei der vier Kategorien). Die Kategorie „Sonstige Wege“ kann nur bedingt im Vergleich berücksichtigt werden. In dieser Kategorie hat OSM ein bereits viel dichteres Wegenetz als der kommerzielle Anbieter. Basierend auf den eben erwähnten Annahmen und dem Vergleich mit den Kategoriestraßenlängen kommen die Forscher zu folgenden Ergebnissen:

  • Autobahnen/Schnellstraßen waren bereits Mitte 2008 komplett erfasst.
  • Mitte 2009 waren Kreisstraßen/Gemeindestraßen in Deutschland erfasst.
  • Straßen in/an Wohngebieten sind noch nicht vollständig erfasst.
  • Ende 2009 hatte OSM bereits mehr „Sonstige Wege“ als der kommerzielle Vergleichsdatensatz von TomTom
  • In der Gesamtsumme des Wegenetzes hat OSM seit Mitte 2010 den Vergleichsdatensatz übertroffen. Wobei hier sicherlich die vielen Feld- und Waldwege für OSM ein Vorteil sind.
  • Aktuell (Juni 2011) wird in OSM Deutschland größtenteils nur noch vereinzelt am Wegennetz an und in Wohngebieten und vermehrt am sonstigen Wegenetz gearbeitet (Wald-, Wiesen- und Feldwegen).

Damit hat sich in Deutschland aktuell (Juni 2011) das OSM Straßennetz für die Autonavigation bis auf ca 10% an vergleichbare Datensätze herangearbeitet und besitzt im Bereich des Gesamtwegenetzes sogar über 27% mehr Informationen. Durch den aktuellen Zuwachs in den fehlenden Straßenkategorien dürfte OSM die noch offene Differenz im Straßennetz bis Mitte/Ende 2012 ausgleichen.
OpenStreetMap
Neben dem Wegenetz wurden auch die Gesamtzahlen der Abbiegevorschriften pro Straßenkategorie miteinander verglichen. Hier ist die Differenz zwischen Vergleichsdatensatz und OSM nicht gering. Es sind aktuell mehr als fünfmal so viele Abbiegevorschriften im Vergleichsdatensatz für Deutschland verfügbar im Vergleich zu OSM. Die Anzahl von Abbiegevorschriften steigt zwar stetig bei OSM, trotzdem dürfte es vermutlich nach jetzigem Stand und Zuwachs noch mehrere Jahre dauern bis OSM hier aufschließen kann. Wir hoffen dieses mit Hilfe der Community und durch einfachere Möglichkeiten zur Teilname (etwa www.osmbugs.org) jedoch in deutlich kürzerer Zeit zu schaffen.

Trotz dieser Analyse, möchten die Macher von OpenStreetMap natürlich darauf hinweisen, dass man keinesfalls von einer vollständigen Fehlerfreiheit der Daten sprechen kann, jedoch versucht wird, mit Qualitätssicherungs-Maßnahmen die Nutzer dabei zu unterstützen, diese zu finden und zu beseitigen, was die Studie ebenfalls bestätigt.
Eine deutsche Zusammenfassung der Studie finden Sie unter http://neis-one.org/2012/01/osm-germany-2007-2011/.

Matthias Blazejak, osmruhr@blazejak.de

About fjbehr

Prof. Dr.-Ing. Franz-Josef Behr, Professor of Geoinformatics at Stuttgart University of Applied Sciences (http://www.gis-management.de/). His specializations include * Internet, Internet GIS * XML, GML, SVG * Data exchange and Interoperability * Visualization * Open Source Solutions * Consulting Member of the DIN working group NA 005-03-03 AA "Arbeitsausschuss Kartographie und Geoinformation" (Sp CEN/TC 287+ISO/TC 211). He is the author of two authoritative books on GIS in German, one is "Strategisches GIS-Management", published by Wichmann Verlag (2004). The second is "Einführung in Geographische Informationssysteme" (1997).

4 thoughts on “Studie: OpenStreetMap holt kommerzielle Kartenanbieter ein

  1. folgender Satz ist falsch:
    „Ende 2009 hatte OSM bereits mehr „Sonstige Wege“ als der kommerzielle Vergleichsdatensatz OpenStreetMap“

    es muss heißen:
    „Ende 2009 hatte OSM bereits mehr „Sonstige Wege“ als der kommerzielle Vergleichsdatensatz von TomTom“

  2. Vielen Dank für den interessanten Artikel!

    Was mich bei der zitierten Untersuchung ein bißchen stört ist, dass die Qualität von OSM und die Aktivität des Projekts im Vergleich zu kommerziellen Diensten vorwiegend an der Geschwindigkeit festgemacht wird, mit der Daten entstehen.
    Meiner Meinung nach ist die schnelle Produktion von Massendaten in einem Crowd basierten System vielleicht nicht so entscheident, sondern eher ob das OSM Projekt es schafft, die Arbeiten so zu koordinieren, dass nicht nur die Datenmasse pro Zeiteinheit stark zunimmt, sondern auch die Qualität der Daten. Bezüglich der Flächen- und Linienobjekten habe ich leider nicht viel Erfahrung mit OSM gemacht, die Punktobjekte habe ich mir allerdings ein bißchen näher angesehen und in meinem Blog das Ergebnis veröffentlicht. Was dabei auffällt ist, dass man zwar in der Masse extrem viele Punkte in OSM findet. Allerdings ist die Vollständigkeit der Metadaten pro Punktobjekt leider noch nicht wirklich gut.

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