Ausschreibung, Pflichtenheft


Durch die Ausschreibung werden Systemanbieter aufgefordert, Angebote für Hardware, Software und zugehörige Dienstleistungen gemäß den in der Ausschreibung genannten Spezifikationen einzureichen.

In dieser Projektphase werden im wesentlichen zwei Dokumente entwickelt: der Ausschreibungstext und das Pflichtenheft.

Der Ausschreibungstext umfasst u. a. Angaben zur ausschreibenden Stelle, zum organisatorischen Umfeld, zur Anwendungsumgebung und enthält Mengengerüste, zeitliche Vorgaben und Vertragsbedingungen. Die Gliederung dieses Dokuments kann sich an den Vorgaben der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt 1988) orientieren. Für den öffentlichen Dienst ist die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) verbindlich. Vorgaben sind beispielhaft auch in Behr (2014) zusammengefasst.

Das Pflichtenheft stellt eine vollständige und detaillierte Beschreibung aller geforderten Funktionen und Leistungen des zu beschaffenden oder zu entwickelnden Systems dar. Der Systementwurf und die geplante Technologie sind aus Anwendersicht zu dokumentieren.

Dem Pflichtenheft kommt vielfältige Bedeutung zu: Es ist Teil der Ausschreibungsunterlagen, dient als Vorlage für die Strukturierung der Angebote und bildet die Grundlage von Kriterienkatalogen für Systemtest und Angebotsbewertung. Nach der Systementscheidung wird es Grundlage für den Vertragsabschluss, Teil des Vertrags oder Spezifikation für einen Werkvertrag sein. Ein wesentlicher Zweck besteht auch darin, Konflikte und Mißverständnisse zwischen Auftraggeber und Anbieter zu vermeiden.

Anwenderbefragung

Ergänzend können Anwenderbefragungen in vergleichbaren Kommunen wichtige Entscheidungshilfe bei der Vorauswahl und bei der Systementscheidung liefern. Als Bestandteil des Angebots sollte deshalb immer auch eine Referenzliste vorhandener Systeminstallationen gefordert werden. Es reicht jedoch nicht aus, sich von einer großen Anzahl aufgeführter Referenzen beeindrucken zu lassen; Ziel muss es sein, über diese Liste Kontakt zu Anwendern zu suchen und sich die dortigen Systeminstallationen zeigen zu lassen. Um den Wert von Aussagen einschätzen zu können, ist es wichtig zu erfahren, wie lange sich das System bereits im produktiven Einsatz befindet und wie groß der Umfang der bereits erfassten Daten ist.

Angebotsbewertung

Befragungen und Vorführungen sind nützlich, um Informationen über Leistungsmerkmale des Systems und über die Erfahrungen bezüglich Kundenunterstützung durch den Anbieter zu erhalten. Anwenderaussagen allein sind jedoch keine Gewähr für eine verläßliche, auf die spezifischen Bedürfnisse zugeschnittene Aussage. Dazu wird eine objektive, auf Bewertungskriterien und Gewichten basierende Methode zur detaillierten Bewertung der Angebote eingesetzt. Es werden folgende Schritte durchgeführt:

  • Festlegung von Kriteriengruppen (Hardware, Betriebssystem, Datenhaltung, GIS-Basissystem, Vernetzungskonzept, …) und zugehörigen Gewichten. Die Kriterien beruhen auf den Inhalten des Pflichtenhefts.
  • Festlegung von Einzelkriterien und Gewichten für die angebotenen Leistungen. Die genaue Festlegung sollte durch die betroffenen Organisationseinheiten mitbestimmt und mitgetragen werden.
  • Auswertung der Angebote anhand der Kriterienliste durch die Projektmitarbeiter. Kritische, nicht eindeutig bewertbare Angebotspositionen werden gesammelt und in der Projektgruppe besprochen.
  • Gegebenenfalls Durchführung einer Sensitivitätsanalyse.
  • Erstellung einer Rangfolge und Präsentation der Ergebnisse als Empfehlung für die Durchführung des Systemtests.

Die Bewertung erfolgt zunächst ohne Berücksichtigung der Kosten; diese werden erst in einem weiteren Schritt herangezogen. Dazu ist es oft notwendig, die Angebote hinsichtlich der Kosten vergleichbar zu machen, beispielsweise wenn bei einzelnen Anbietern zusätzliche oder deutlich leistungsfähigere Komponenten im angegebenen Gesamtpreis enthalten sind.

Systemtest

In der Angebotsbewertung werden die Aussagen der Systemanbieter hinsichtlich der im Pflichtenheft geforderten Systemeigenschaften und Funktionen bewertet. Es zeigt sich jedoch, dass dies häufig nicht ausreicht, um eine verläßliche Beurteilung der Systeme abgeben zu können. Deshalb werden in einem weiteren Schritt die in die engere Wahl gezogenen Systeme einem Systemtest unterzogen. Als Inhalt des Systemtests werden durch die Projektgruppe eine Reihe von Aufgaben formuliert. Diese repräsentieren Anforderungen, die im Rahmen der Ist-Untersuchung und bei Entwicklung der Sollkonzeption deutlich wurden. Durch klare Vorgaben und Aufgaben ist das Abgleiten des Systemtests in eine Produktvorführung nach Gutdünken des Anbieters zu verhindern. Der Aufwand des Systemtests ist dem Umfang der Ausschreibung entsprechend zu gestalten.

Systementscheid

Der Systementscheid erfolgt auf folgenden Grundlagen von Ergebnissen der Detailbewertung, Anwenderbefragungen und der Systemtests.

Der Entscheidungsvorschlag ist den Entscheidungsträgern vorzulegen. Bei Bedarf kann der Beschaffungsentscheid durch eine Vorführung des empfohlenen Systems unterstützt werden. Nach erfolgtem Entscheid erfolgt der Zuschlag.

Vertragsgestaltung

In einem Vertragswerk müssen nun die Abnahmebedingungen, die Systembetreuung und eventuell Vertragsstrafen vereinbart werden (DVGW 1990), soweit nicht hierfür bereits die Aussagen der Ausschreibung herangezogen werden. Vereinbarungen können ebenfalls zugesagte Anwortzeiten, Verfügbarkeitszusagen, zugesagte kostenlose Unterstützung bei der Systemanpassung (Anwendungsentwicklung) oder weitere Zusagen betreffen. In den Vertrag sollten auch alle sonstigen Punkte mit aufgenommen werden, die sich aus dem Systemtest in Hinblick auf das Angebot ergeben haben.